Interview mit Rosa Rossi
‚Freiwilligendienst – eine vergeudete Zeit?‘
Was hast du vor deinem BFD gemacht?
Direkt vor dem BFD habe ich gar nichts gemacht. Ich habe zunächst Fachabitur gemacht und dann aber leider keinen Studienplatz bekommen. Nebenher habe ich zu der Zeit bereits in einem Verein für eingeschränkte Menschen gearbeitet. Somit habe ich etwas in der Luft gehangen bevor ich mich beim Paritätischen beworben habe.
Wie ist es dazu gekommen, dass du einen BFD machst? Und warum genau bei der AFI?
Ich habe durch eine Bekannte vom Paritätischen erfahren und meine Bewerbung nach Saarbrücken geschickt. Von dort habe ich dann einen Einsatzplatzvorschlag zur AfI (Arbeitsstelle für Integrationspädagogik) bekommen. Nach einem Vorstellungsgespräch, in dem Frau Obernesser (stellv. Leitung der AfI) sehr begeistert von mir war, bekam ich mein Kind in der Kindertagesstätte in Wellesweiler zugewiesen. Da ich bereits in meinem Fachoberschulpraktikum in einem Kindergarten war, freute ich mich sehr auf die Aufgaben.
Was genau waren deine Aufgaben bei der AFI?
Zuerst sollte ich nur ein Kind, das im Rollstuhl sitzt, betreuen, aber bereits nach 2 Wochen bekam ich ein 2.Kind, das Autist ist, zugeteilt. Beide Kinder waren 5 Jahre. Meine Aufgaben waren vielseitig, wie frühstücken, spielen, Toilettengänge, Bücher lesen, mit Lego bauen und basteln. Aber auch mit den anderen Kindern hatte ich viel Kontakt. Im Team der ganzen Erzieherinnen habe ich mich ebenfalls sehr wohl und aufgehoben gefühlt.
Hattest du Lieblingsaufgaben – was hat dir besonders viel Spaß gemacht? Besondere Aufgaben, die nur du erledigen musstest? Gab es auch Aufgaben, die dir weniger Spaß gemacht haben?
Am meisten Spaß hat mir das Arbeiten mit dem Kind im Rollstuhl gemacht. Wir haben gemeinsam viel in Büchern gelesen, da der Junge schon sehr viel Wissen über manche Dinge hatte. Aber im Allgemeinen hat mir nichts Probleme bereitet.
Hast du dich im Laufe deines BFD verändert? Was hast du dazu gelernt?
Dazu gelernt habe ich wie man einem Kind die Nase putzt ohne mich davor zu ekeln und ich habe generell einen engeren Kontakt zu Kindern, egal ob mit oder ohne Behinderung. Am Anfang habe ich noch überlegt, ob ich das überhaupt alles so packe, aber schon nach kurzer Zeit hat sich rausgestellt, dass es kein Problem sein sollte. Ich bin über meine eigenen Grenzen gewachsen und habe mehr Selbstbewusstsein bekommen. Gerade durch das Anbieten eigener Angebote, wie Fenster bemalen, habe ich viel für mich mitnehmen können und ich bin allgemein auch viel gelassener geworden.
Ist es dir schwer gefallen, von deiner BFD-Einsatzstelle wegzugehen? Wie verlief dein letzter Tag in der Einrichtung?
Ich war nur ein halbes Jahr dort, weil ich mein Studium eigentlich im Juli anfangen sollte. Der letzte Tag verlief sehr emotional. Ich habe Kuchen zum Abschied mitgebracht und die Kinder haben mir im Stuhlkreis Leinwände mit selbstgemalten Bildern überreicht sowie einen Geschenkkorb. Ich habe viel geweint und wurde von jedem noch einmal fest gedrückt.
Wie war die Zeit nach deinem BFD? Was wolltest du nach dem BFD beruflich machen und was hast du gemacht?
Gegen Ende des BFD habe ich schon im Fitnessstudio nebenher gejobbt, da dies auch meine Leidenschaft ist. Ich wollte zunächst ein duales Studium in Fitnessökonomie machen. Ich hatte auch bereits alles so weit unter Dach und Fach, als am letzten Tag auf der Arbeit der Junge, der im Rollstuhl sitzt, zu mir gesagt hat ‚Ich bin mir sicher, dass du eine gute Erzieherin abgibst!‘. In dem Moment hat es mir das Herz zerrissen, ihm sagen zu müssen, dass ich keine Erzieherin werde. Diese Gedanken habe ich dann zwei Wochen mit mir rumgeschleppt, als dann das Paket von der Uni kam und ich in Tränen ausbrach. In dem Moment wusste ich, dass ich keine Fitnessökonomie studieren will, sondern lieber Erzieherin werden will. Ich habe mich dann an der Erzieherschule gemeldet, um mir ein Vorpraktikum zu suchen, aber die haben mir tatsächlich meinen BFD als Vorpraktikum anerkannt. Im Fitnessstudio arbeite ich immer noch nebenher. Aber in der Schule merkte ich dann schnell, dass ich wirklich Erzieherin werden will und somit die richtige Entscheidung getroffen habe.
Würdest du mit etwas Abstand sagen, dass dein BFD eine vergeudete Zeit war? Warum?
Jeder hat zu mir gesagt, dass ich Erzieherin werden sollte, aber ich habe immer ‚Nein‘ gesagt. Aber ein 5jähriger Junge im Rollstuhl hat mich davon überzeugt, dass es doch wirklich das ist, was ich machen will. Ohne meinen BFD hätte ich niemals zu meinem Traumjob gefunden und kann so meine Berufung zum Beruf machen. Ich habe viele Menschen im BFD kennengelernt und in den Seminaren eine tolle Zeit gehabt. Man kann im Freiwilligendienst einfach ohne Stress und Druck sich selbst ausprobieren und schauen, was einem liegt. Es ist eine neue Lebenserfahrung und somit bestimmt keine vergeudete Zeit.
Was kannst du Leuten, die überlegen einen Freiwilligendienst zu machen, mit auf den Weg geben?
Ich kann jedem, der überlegt einen Freiwilligendienst zu machen, nur raten, dies auch wirklich zu tun. Es ist eine richtig gute Erfahrung und man verändert sich im Laufe dieser Zeit. Man lernt sich selber auch besser kennen und kann etwas Sinnvolles für andere machen, statt einfach nur zu jobben oder zuhause rumzusitzen.
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