Podiumsdiskussion „Dein Jahr für Deutschland – Wehrpflicht 2.0?!“ am 10.11.2020
Eine Einladung zu einer Podiumsdiskussion ist schon etwas Besonderes – und dann auch noch online? Mit der Bundeswehr?
Dieses Experiment habe ich nur zu gerne gewagt und bin der Einladung der Jungen Union Rhein-Lahn gefolgt, auch wenn das Thema „Dein Jahr für Deutschland – Wehrpflicht 2.0?!“ auf den ersten Blick nichts mit unserem Tätigkeitsbereich zu tun hat.
In der Debatte wurde jedoch relativ schnell klar, dass es nicht darum ging, den bei der Bundeswehr möglichen freiwilligen Wehrdienst mit „unseren“ altbewährten Freiwilligendiensten (FSJ und BFD) zu vergleichen. Dass dies auch gar nicht sinnvoll ist, zeigen die unterschiedlichen Voraussetzungen: Während FSJ und BFD als Orientierungsjahr zu verstehen und meistens im sozialen Bereich angesiedelt sind, geht es bei dem Format der Bundeswehr u. a. um die außenpolitische Sicherung Deutschlands und, wie gerade in der Pandemie sichtbar, um akute Katastrophenhilfe. Umso interessanter war es festzustellen, dass sowohl bei der Bundeswehr als auch bei uns die Bewerbungen in den letzten Jahren leider rückläufig waren. Daran ist zu erkennen, dass es allgemein weniger (junge) Menschen gibt, die sich engagieren können und wollen. Durch geburtenschwache Jahrgänge stehen insgesamt weniger Personen zur Verfügung, die ja auch vom generellen Arbeitsmarkt abgeworben werden können.
Dies führte uns in der Debatte auch schnell wieder zu der Frage, ob nicht ein Pflichtdienst – in welcher Form auch immer – die entstandenen Lücken stopfen könne. Hier hatte ich Gelegenheit, unsere Position noch einmal zu verdeutlichen: Ein Pflichtdienst wäre erstens nicht schnell umsetzbar, zumal dazu zunächst wieder die Wehrpflicht eingeführt werden müsste. Und bei einer Umsetzung würde dies bedeuten, dass bundesweit ca. 800.000 Menschen eine Einsatzstelle und eine adäquate pädagogische Betreuung bräuchten. Wie können hier Kapazitäten geschaffen werden? Wer finanziert dies? Und was passiert mit den Menschen, die eine Arbeit hier nicht leisten wollen oder können? Zweitens sind wir der Meinung, dass vielmehr die schon bestehenden Formate ausgebaut und gefördert werden sollten. Durch refinanzierbare Öffentlichkeitsarbeit, einen Betreuungsschlüssel von bspw. 1:25 statt wie bisher 1:40 und Anerkennung der Freiwilligen in Form von kostenloser ÖPNV-Nutzung sehen wir hier viel mehr Möglichkeiten, wieder mehr Menschen für einen Freiwilligendienst begeistern zu können. Dies kommt auch der Gesellschaft zugute, denn diese wäre ohne soziales Engagement sehr viel ärmer.
Deshalb freue ich mich umso mehr, dass wir so viele engagierte Freiwillige in unseren Einsatzstellen haben! Und dass diese oft im sozialen Bereich „kleben bleiben“, zeigt sich ja auch in unserem Team ;-)
Melanie Müller
Leitung Freiwilligendienste
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