„Es lohnt sich.“ – Erfahrungsbericht von Paul Esser, FSJ Politik und Demokratie

Hi, ich bin Paul und hab im letzten Jahr ein FSJ Politik gemacht. Warum? Ist relativ schnell erklärt: Nach der Schule wollte ich nicht direkt weg und hatte oft genug über ein Freiwilliges Soziales Jahr nachgedacht. Soll ja nicht nur gut für andere sein, sondern auch für sich selbst (was sich übrigens auch bestätigt hat, aber dazu später mehr). Nur kippe ich sofort um, wenn ich Wörter wie „Spritze“ oder „Blut“ höre. Ein „klassisches“ FSJ im Krankenhaus oder Altersheim kam also nicht in Frage. Wie aus dem Nichts (oder weil die Algorithmen uns zu gut kennen) habe ich dann auf Instagram Werbung für das FSJ Politik gesehen. Und weil Politik in der Schule absolut mein Fach war und ich sowieso im Kopf hatte, Politikwissenschaften zu studieren (Spoiler: mache ich mittlerweile auch), habe ich mich direkt beworben und hatte ein paar Wochen später die Bestätigung: Einsatz im saarländischen Sozial- und Gesundheitsministerium. Letzteres stand Gott sei Dank nur selten in Konflikt mit meiner grundsätzlichen Phobie gegenüber pseudo-medizinischen Begriffen. Naja.

Im ersten halben Jahr – also der Zeit, in der noch alles halbwegs normal war – wurde ich im Kabinettsreferat eingesetzt. Klingt wichtig und spektakulär, ist aber meistens nur wichtig. Im Prinzip habe ich hier mit meinen Kollegen Sitzungen des saarländischen Kabinetts (also aller Minister*innen), Konferenzen und Bundesratssitzungen vorbereitet. Heißt konkret: Mails schreiben, Dokumente zusammentragen und Ordner zusammenstellen. Man lernt also kennen, was und wie viele Menschen hinter dem stehen, was „die da oben“ so den ganzen Tag machen. Diese Prozesse kennen- und verstehen zu lernen ist wirklich unglaublich spannend und aufschlussreich. Kann aber auch mal bedeuten, einen Mittag am Drucker zu stehen und tonnenschwere Ordner ins Archiv zu schleppen. Das gehört einfach dazu. Und macht dann doch irgendwie Spaß.

Ein Freiwilliger schiebt einen anderen Freiwilligen im Rollstuhl eine Rampe hoch

Paul Esser (vorne, im Rollstuhl) während einer Seminareinheit zur Rollstuhlselbsterfahrung.

In dieser Zeit konnten auch noch die Seminare stattfinden. Also eine ganze Woche mit anderen FSJlern und zu humanen Aufsteh-Zeiten wirklich spannende Themen bearbeiten. Und das Spektrum war riesig: Vom Gespräch mit einem ehemalig suchtkranken Menschen über eine Diskussion mit Landtagsabgeordneten bis zum Rhetorik-Workshop war alles dabei. Und es gibt auch was mit Hunden, aber das seht ihr dann ja selbst. Was viele „Horizont erweitern“ nennen, waren die Seminare. Und ich bin ehrlich: Es macht einfach Bock, mit anderen Leuten in einem nicht ganz so strengen Rahmen Zeit zu verbringen und in den Pausen „Werwölfe von Düsterwald“ zu spielen.

Nach ungefähr sechs Monaten kam ich dann relativ zufällig in die Pressestelle des Ministeriums. Ein ziemlicher Kontrast zu meiner Arbeit im Kabinettsreferat: Pressemitteilungen, Anfragen von Journalisten, Social Media. Und hat auch perfekt für meine Zukunft gepasst: irgendwas mit Medien. Ihr kennt das ja. Jedenfalls kam dann Corona. Wie ihr euch mit Sicherheit vorstellen könnt, ein ziemliches Thema im Gesundheitsministerium. Plötzlich hatte ich keine Zeit mehr, um zwischendurch auf Twitter abzuhängen. Stattdessen eher Überstunden, weil einfach unglaublich viel zu tun war. Irgendwann war ich auch Teil der saarländischen Corona-Hotline. Keine Frage, das Virus und die dadurch ausgelöste Krise sind eine riesige Herausforderung für die Gesellschaft. Aber für mich hat diese Situation auch unfassbar anstrengende und genauso spannende Erfahrungen bedeutet. Im völligen Krisenmodus selbst mitzuarbeiten, war einfach krass. Besser kann ich das nicht beschreiben.

Ich hatte unfassbares Glück, nicht nur mit den spannenden Bereichen, in denen ich eingesetzt wurde, sondern auch mit meinen Kolleg*innen. Durchweg coole Menschen, die meinen Einsatz in diesem Jahr wertgeschätzt haben und die ich wirklich liebgewonnen habe. Auch deshalb arbeite ich jetzt noch neben dem Studium aushilfsweise weiter im Ministerium.

Was kann ich euch also als „Ehemaliger“ mit auf den Weg geben?

Erstens: All das Romantische stimmt. Euch freiwillig zu engagieren, bringt euch weiter. Es ist bei mir zwar nur ein paar Monate her, aber es wird euch prägen und verändern. Und ja, man fühlt sich am Ende des Tages besser als nach einem Tag Netflix und Couch.

Zweitens: Es ist längst nicht alles romantisch. Es gibt auch im Freiwilligendienst Tage, an denen es wenig zu tun gibt. Es gibt Tage, an denen es langweilig werden kann. Genauso gibt es Tage, an denen alles furchtbar anstrengend ist. Das gehört dazu.

Drittens: Auch das Unromantische bringt euch weiter. Auch die langweiligen und anstrengenden Tage bringen euch weiter. Die Tage, an denen irgendwie gar nichts geht und ihr trotzdem durchzieht, bringen euch weiter. Und für alle, die sich beruflich in diese Richtung bewegen wollen, ist dieses Jahr auch ein Fuß in der Tür.

Ich könnte jetzt noch zwei Seiten darüber schreiben, was dieses Jahr alles für euch bedeuten kann, weil ich es schon erleben durfte. Aber ich bringe es mal auf den Punkt: Es lohnt sich.